Nach einer mehrtägigen Verschnaufpause im Haus brachen wir auf, um die Kamerafallen in einem neuen Areal aufzustellen. Diesmal ging es nach Wezdam, ein Ort in den Bergen, der ein Stück weiter weg liegt als Tmiiyik. An dieser Stelle eine kurze Erläuterung zum Begriff Berg: Es handelt sich höhenmäßig (200-800m) nach meiner Definition eher um Hügel, im Naso-Vokabular sind es jedoch Berge und der Zustand der Pfade und die dementsprechende Marschgeschwindigkeit und Hechelei lassen eher auf Berge schließen. Wir wanderten mit Adolfo, Deybis, Enrice, Rafael und Michael. Wir bewegten uns diesmal mit einer Gangart voran, die ich nicht anders als mit „rennen“ bezeichnen kann, gemessen an dem schweren Gepäck und dem schwer begehbaren Untergrund und meiner Unsportlichkeit an diesem Tag. Wir liefen lange ein schönes sonniges Flussbett entlang, später überquerten wir immer wieder Flüsse. Nach gut der Hälfte und einer Pause sah ich’s schliesslich ein: ohne nen kräftigen Schluck aus der Pulle läuft hier gleich gar nichts mehr. Ne alte Frau is halt kein D-Zug! So gabs für jeden einen Schluck aus der mitgebrachten (von mir geschleppten!) Rumflasche, den ich wohl als einzigen „brauchte“ (der Glaube machts), aber Enrice mag ihn auch sehr gern. Und Deybis half schliesslich mich streckenweise schieben. Halt Stop, bevor ihr mich verurteilt: er hatte es einfach zu eilig hinter mir! Wäre mir fast jeden zweiten Schritt hinten aufgelaufen. Zudem trug ich alle neun Kamerafallen plus das meiste meines Gepäcks in meinem Rucksack, ich hatte gut zu tragen. Was abgeben wollte ich aber auch nicht, wer bin ich denn! Ich und die andren Jungs machten uns einen Jux daraus laut und in jeder beliebigen Tonlage Geschrei auszustossen während wir uns hochkämpften. Und zum Glück bleiben auch die schlimmsten deutschen Flüche die ich in meinem Vokabular habe (in solchen Situationen entdecke ich meine Fantasie neu) hier verborgen. Wenn ich mich auf der Suche nach der Quelle eines besonders aufregenden Vogelgesangs umschaute kam es vor, dass ich nur die grinsenden Gesichter meiner Begleiter fand, die sich über eine besonders gut gelungene Imitation freuten. So gut sind Raffa Deybis und die anderen mit Imitationen nämlich- ich falle regelmässig darauf herein! Wir konnten neben Tucanen dieses Mal auch Kapuzineräffchen sehen. Einer war besonders mutig und schielte immer wieder zu uns runter. Noch spannender fand ich aber die vielen Tierspuren die wir an dieserem Tag fanden! Darunter zahlreiche von Ozelotts und Jaguaren. Die eine war so gross, dass mir die Kinnlade runterfiel: Der Abdruck war so gross wie meine geöffnete Handfläche! Auch am Abstand vom Abdruck der Vorder- und der Hinter-Pfoten konnte man die Grösse des Tiereserahnen, das von Kopf bis Schwanzansatz zwei Meter lang sein muss! Der Nationalpark La Amistad ist voll von Jaguaren und Richtung Costa Rica auch Panthern. Mir ist die Geschichte eines Jaguars zu Ohren gekommen, der sich nicht sehr weit von uns entfernt in die Siedlung schlich und ganze sechs Schweine frass. Nun hängt sein Fell in einem der Häuser, da hat er die Schmerzgrenze überschritten. Das ebenbeschriebene Problem taucht vielerorts auf, weshalb wöchentlich irgendwo Panther erlegt werden. Die Menschen dringen immer tiefer in den Wald ein, errichten dort ihre Häuser und halten ihr Vieh. Sie vertreiben oder erlegen die eigentliche/ natürliche Beute der Panther, woraufhin die sich an ihre Schweine heranmachen. Wer weiss die Antwort auf diesen Konflikt? Muss der Mensch wieder gehen, oder der Panther?
Ich hoffe ihr verzeiht meinen kleinen Exkurs. Ziemlich geplättet kam ich am Nachtlagerplatz an, man liess mir aber keine Ruhe sondern brach ziemlich bald wieder auf, um in zwei Teams die Kamerafallen zu installieren. Währenddessen setze der Regen ein, meine Gruppe hatte das Glück, dass die andere Gruppe schon das Lager hergerichtet hatte, als wir zurückkamen. Unser Nachtlager: Eine Holzplatte von circa 3m mal 4m für Johanna, Rafael, Adolfo, Deybis und ich. Es sollte eine lustige Nacht werden. Zumindest eines kann ich beteuern: warm genug wars als mittlerer Hering in der Formation! Meine Füsse dienten Deybis- der definitiv den bedauernswertesten Platz erwischt hatte- als Kopfkissen. Es kam nur dann zu Konflikten, wenn ich mich herumdrehen wollte. Aber das war so jede halb Stunde! Nach einer Weile ging er dazu über sich kräftig festzuklammern, wenn ich mich wiedermal freistrampeln wollte. Woraufhin ich dann anfing wild auszuschlagen, weil ich die Position unmöglich aushalten konnte. Im Zuge dieses Kampfes um Schlaf soll ich sogar nach meinem Papa gerufen haben! Ich erinnere mich, mich um fünf Uhr Nachts frustriert aufgesetzt zu haben, der festen Überzeugung dass die Waagrechte einfach keine Option mehr für mich darstellt. Johanna schlief dafür gar nicht so schlecht.
Den nächsten Morgen starteten wir noch vor Sonnenaufgang mit einem Bad im Bach. Dann gabs Haferschleim und Reis und Nudeln wie üblich, um wieder „heimzustürmen“. Am Bach beschloss man kurzerhand diesmal anders zu gehen. Unter viel Einsatz der Machete stiegen wir die erste Stunde das Bachbett bergaufwärts. Dann gings direkt in die Büsche und damit kam der Teil wo wir erst richtig zu fluchen hatten. Schwitzend, rutschend, mit brennenden Muskeln und immer mehr Dreck an uns kämpften wir uns hoch und Adolfo tanzte mit wedelnder Machete vor uns her. Bis jetzt wurde uns die Begründung bzw. Rechtfertigung für diese empörende Dreistigkeit von Wegwahl nicht offenbart. Kürzer wars jedenfalls nicht. Mein Körper liess mich Abends und tags drauf für die begangenen „Dummheiten“ leiden. Ich war voller Schmerzen in Muskeln, Knochen und Kopf und musste mir eingestehen, dass die letzte Tour einfach zu heftig war.